Im Führer "Der Dom zu Lübeck" von Wolfgang Grusnick habe ich unter der Beschreibung des Marienaltars (Bild) ein Marienlied von Johann Spangenberg von 1544 gefunden.
Übertragung ins (einigermaßen) Neuhochdeutsche:
Hoch von dem Thron ein Jäger,
der jaget ein Einhorn fein.
Ein auserwählte Jungfraue
steckt aus ihr Ärmlein balde.
Mit Lust sprang es darein.
Gott sandt von Himmels Throne
den Engel Gabriel
all zu Maria der Schönen,
soll gebären Gottes Sohne
mit Namen Emmanuel.
Die Hündlein, so es jagten,
triebens frisch und wohl getrost,
die Wahrheit und Gerechtigkeit,
Fried und auch Barmherzigkeit,
der Jungfrauen in den Schoß.
Die Jungfrau, die war edel,
von königlicher Art.
Von David und dem Salomon
gebar sie Jesum, Gottes Sohn
ganz rein, keusch und zart.
Der Busch blieb unversehret
und brannte durch Feuers Flamm’:
So hat Maria, die Schöne,
empfangen Gottes Sohne
ohn Sünd und Mannes Sam’.
Sie ist die güldene Pforte,
verschlossen in Ewigkeit,
dazu der beschlossen’ Garten,
hat g’glaubt des Engels Worte,
bracht Heil und Seligkeit.
Sie ist das Vlies im Taue
des Fürsten Gideon,
der schöne, versiegelte Brunne,
gebar mit Freud und Wonne
den einigen Gottessohn.
Sie ist die Rute Jesse,
welche ganz verdorret war.
Mit seliger Blüte und Fruchte
in jungfräulicher Zuchte
den Heiland uns gebar.
Sie ist wie Zimmet und Balsam,
gar teu’r und freudenreich.
Die schöne Rose von Jericho
und die Ledder (= Zeder?) im Libano,
erhöhet ganz wonniglich.
Sie ist die Wohlgebaute,
Davids, des Königs, Turm,
beziert und wohl und milde,
mit tausend schönen Schilden,
vergleicht des Himmels Thron.
Sie war im gülden Eimer,
behalten(d) das Himmelsbrot.
das hat vertilget alleine
in Maria, der Reinen,
Höll, Sünd und ewigen Tod.
Lob, Ehr und Dank dem Vater
in göttlicher Majestät,
dem Sohn und Heiligem Geiste,
der uns sein Gnade leiste
nun und in Ewigkeit.
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