Sonntag, 8. Oktober 2023

"Hoch von dem Thron ein Jäger" - Marienlied zur Einhornjagd

Im Führer "Der Dom zu Lübeck" von Wolfgang Grusnick habe ich unter der Beschreibung des Marienaltars (Bild) ein Marienlied von Johann Spangenberg von 1544 gefunden.


Übertragung ins (einigermaßen) Neuhochdeutsche:


Hoch von dem Thron ein Jäger,

der jaget ein Einhorn fein.

Ein auserwählte Jungfraue

steckt aus ihr Ärmlein balde.

Mit Lust sprang es darein.


Gott sandt von Himmels Throne

den Engel Gabriel

all zu Maria der Schönen,

soll gebären Gottes Sohne

mit Namen Emmanuel.


Die Hündlein, so es jagten,

triebens frisch und wohl getrost,

die Wahrheit und Gerechtigkeit,

Fried und auch Barmherzigkeit,

der Jungfrauen in den Schoß.


Die Jungfrau, die war edel,

von königlicher Art.

Von David und dem Salomon

gebar sie Jesum, Gottes Sohn

ganz rein, keusch und zart.


Der Busch blieb unversehret

und brannte durch Feuers Flamm’:

So hat Maria, die Schöne,

empfangen Gottes Sohne

ohn Sünd und Mannes Sam’.


Sie ist die güldene Pforte,

verschlossen in Ewigkeit,

dazu der beschlossen’ Garten,

hat g’glaubt des Engels Worte,

bracht Heil und Seligkeit.


Sie ist das Vlies im Taue

des Fürsten Gideon,

der schöne, versiegelte Brunne,

gebar mit Freud und Wonne

den einigen Gottessohn.


Sie ist die Rute Jesse,

welche ganz verdorret war.

Mit seliger Blüte und Fruchte

in jungfräulicher Zuchte

den Heiland uns gebar.


Sie ist wie Zimmet und Balsam,

gar teu’r und freudenreich.

Die schöne Rose von Jericho

und die Ledder (= Zeder?) im Libano,

erhöhet ganz wonniglich.


Sie ist die Wohlgebaute,

Davids, des Königs, Turm,

beziert und wohl und milde,

mit tausend schönen Schilden,

vergleicht des Himmels Thron.


Sie war im gülden Eimer,

behalten(d) das Himmelsbrot.

das hat vertilget alleine

in Maria, der Reinen,

Höll, Sünd und ewigen Tod.


Lob, Ehr und Dank dem Vater

in göttlicher Majestät,

dem Sohn und Heiligem Geiste,

der uns sein Gnade leiste

nun und in Ewigkeit.

Freitag, 5. Mai 2023

Präfation zur Krönung eines Königs

In der Liturgie zur Krönung von König Karl II. von England, die als "Eucharist" gefeiert wurde, gab es diese Präfation (Quelle):


It is very meet, right, and our bounden duty, that we should at all times and in all places give thanks unto thee, O Lord, holy Father, almighty, everlasting God, through Jesus Christ thine only Son our Lord;


who hast at this time consecrated thy servant N. to be our King, that, by the anointing of thy grace, he may be the Defender of thy Faith and the Protector of thy people; that, with him, we may learn the ways of service, compassion, and love, and that the good work which thou hast begun in him this day may be brought to completion in the day of Jesus Christ.


Therefore with angels and archangels, and with all the company of heaven, we laud and magnify thy glorious name, evermore praising thee and saying: (Sanctus)

Mittwoch, 12. April 2023

Drittes österliches Triduum

Neben den beiden "traditionellen" Triduen zum Osterfest, dem Triduum Sacrum / Passionis (von Gründonnerstag bis zur Ostervigil) und dem Triduum Paschale (von Ostersonntag bis -dienstag), dessen Tage im alten Missale den Rang "Duplex I classis" (Hochfest) haben - die folgenden Tage der Osteroktav sind nur "Semiduplex" (Gedenktag) -, gibt es noch ein drittes, verborgenes:


Die traditionellen (sicher sehr alten) Orationen zur Gabenbereitung und zur Kommunion sind von der Ostervigil bis zum Ostermontag dieselben.



Super oblata

Gabengebet

Súscipe, quǽsumus, Dómine, preces pópuli tui cum oblatiónibus hostiárum, ut, paschálibus initiáta mystériis, ad æternitátis nobis medélam, te operánte, profíciant.

Nimm an, wir bitten, Herr, die Gebete deines Volkes mit den Darbringungen der Opfergaben, damit sie, die durch die österlichen Geheimnisse eingeführt worden sind, indem du es wirkst, uns zur Heilung der Ewigkeit dienen.



Post communionem

Schlußgebet

Spíritum nobis, Dómine, tuæ caritátis infúnde, ut, quos sacraméntis paschálibus satiásti, tua fácias pietáte concórdes.

Den Geist deiner Liebe, Herr, gieße ein (aus), damit die, die du durch die österlichen Sakramente gesättigt hast, durch deine Milde einmütig machst.


Donnerstag, 23. März 2023

Prophetische Offertoria

Vier Gesänge zur Gabenbereitung im Graduale Romanum weichen von den anderen ab: die "prophetischen Offertoria".

Samstag, 4. Februar 2023

Sexagesima: Praefatio

Die Präfation zum Sonntag Sexagesima "Qui rationabilem creaturam" zum Singen eingerichtet findet sich hier.


Text aus dem Sacramentarium Gelasianum Vetus, Nr. 159.


Zur "Vorfastenzeit" ist im alten "Schott" zu lesen:

Der kurze Abschnitt des Kirchenjahres von Septuagesima bis zum Beginn der großen Fastenzeit ist sozusagen eine stimmungsvolle, schöngegliederte Vorhalle, die in Rom dem Heiligtum der Quadragesima vor dem Tod Gregors des Großen († 604) vorgebaut worden ist. 

Es war damals eine Zeit, in der fremde, eingewanderte Horden über Rom und seine Umgebung viel Tränen und Ruinen brachten. Vielleicht zittert in manchen Texten dieser drei Sonntage die schmerzliche Erinnerung daran noch nach.

Donnerstag, 21. Juli 2022

Missale von Sarum

Das Missale von Sarum (Salisbury) war bis zur Einführung des reformatorischen "Book of Common Prayer" 1549 prägend für die Liturgie an vielen englischen Kathedralen und Stiftskirchen. Es wurde im 19. Jahrhundert Grundlage für die anglo-katholische Reform durch das "Oxford Movement".


Hier eine "wissenschaftlich-kritische" Ausgabe des Sarum-Missales als PDF, erstellt nach der Vorlage von Francis Henry Dickinson.


Hingewiesen sei u.a. auf

- die Brotsegnung an Sonntagen (S. 25) mit anschließender Prozession (S. 27)

- das "Ordinarium (= Ordo) Missæ" (S. 365)

Dienstag, 15. März 2022

Havelberger Missale - frühlutherische Agende von Matthäus Ludecus

Der Havelberger Dompropst Matthäus Ludecus, lutherischen Bekenntnisses, hat 1589 in Ermangelung eines Bischofs für das konfessionell gemischte Domkapitel und die Pfarreien des 1598 aufgelösten Bistums ein "Missale" drucken lassen, das erkennbar als ein solches traditionell sein will, aber natürlich das eucharistische Hochgebet nach Luthers Vorgabe entfernt.


Hier zum Havelberger Missale


Zum leichteren Finden:

- Advent

- Credo

- Heilige Nacht

- Weihnachtszeit

- Hochamt an Weihnachten

- Erscheinung/Epiphanias und die folgenden Sonntage

- Vorfastenzeit

- Fastenzeit

- Passionsonntag

- Palmsonntag - Matthäuspassion deutsch

- Karmontag

- Kardienstag

- Karmittwoch

- Gründonnerstag

- Karfreitag - "Passio sine titulo" 

- Karsamstag

- Ostern mit Oktav

- Weißer Sonntag und Osterzeit

- Bittage

- Christi Himmelfahrt

- Pfingsten mit Oktav

- Dreifaltigkeit/Trinitatis

- Fronleichnam

- Sonntage nach Trinitatis

- Letzter Sonntag nach Trinitatis

- Kirchweih ("In Dedicationis Templi")

- Freitag

- Quatember- und Fasttage

- Kyrie und Gloria

- Präfationen

- Sanctus und Agnus Dei

Kein "Meßkanon"/"Abendmahlsbericht", keine Orationen "Secreta" (Gabengebet) und "Post Communionem" (Schlußgebet).

- deutsche Kollekten ("Tagesgebete") für die Sonn- und Festtage

- deutsche Kollekten ("Tagesgebete") für die Heiligenfeste

- Ordnung der deutschen Gesänge für die Sonn- und Festtage

- Ordnung der deutschen Gesänge für die Heiligenfeste

- Heiligenfeste

- Heiligencommune



Das Fronleichnamsfest ist erhalten, sogar dessen Sequenz "Lauda Sion" des heiligen Thomas samt der darin enthaltenen (von Luther abgelehnten) Transsubstantiationslehre. An dessen Ende finden wir einen "lutherischen Zombie". Die abgeschaffte Fronleichnamsprozession war Ludecus diese liebevolle Erwähnung wert:


Olim sub Papatu hoc die a prandio solennis supplicatio, quam vulgo processionem vocant, in urbibus et pagis a Clero et populo habita est. Mystae sacris vestibus inauratum calicem una cum patena tenuerunt.

Antistes ceremoniarum et sacrorum, sive summus pastor consecratam hostiam in argento et deaurato Cibario, quod vulgo Monstrantiam nominant, stipatus proceribus populi sub coelo fabrefacto, circumgestavit, atque in illa processione initia quatuor Evangeliorum a 4 Evangelistis descriptorum in quatuor diversis locis lecta sunt.

Postea tota processio forum, quod frondibus et herbis optime ornatum fuit, periit, ibique Te DEUM laudamus, intenta voce concinuit.

Atque his omnibus peractis quilibet laetus laetum corporis Christi diem transegit.


Einst unter dem Papsttum ist an diesem Tag in Städten und Dörfern von Klerus und Volk nach dem Essen ein feierlicher Bittgang abgehalten worden, den sie "Prozession" nannten. Die Priester hielten in heiligen Gewändern den vergoldeten Kelch mit der Patene.

Der Vorsteher der Zeremonien und der heiligen Dinge (Geräte?; vielleicht Thesaurar) oder der oberste Hirte (= Bischof, Pfarrer) hat die konsekrierte Hostie in einem silbernen und vergoldeten Ziborium umhergetragen, das sie "Monstranz" nannten, umgeben von den Vornehmen des Volkes unter einem kunstvoll angefertigten Himmel. Und bei dieser Prozession wurden die vier Anfänge der von den vier Evangelisten aufgeschriebenen Evangelien an vier verschiedenen Orten gelesen.

Dann endete die ganze Prozession auf dem Marktplatz, der mit Maien und Kräutern aufs beste geschmückt war, und hier erklang das Tedeum mit starker Stimme.

Und nachdem all diese Dinge getan waren, verbrachte jeder fröhlich den fröhlichen Tag des Leibes Christi.


Schön ist auch das "Kyrie summum" zu Ostern


Weitere, auch liturgische Schriften von Matthäus Ludecus