Donnerstag, 30. Mai 2024

Zur Pfingstsequenz "Veni Sancte Spiritus"

Nach Dr. Nikolaus Gihr, Die Sequenz der Pfingstwoche, und Michael Foley, Die Pfingstsequenz "Veni Sancte Spiritus", aus: Dominus Vobiscum, Magazin der Laienvereinigung für den klassischen römsischen Ritus in der Katholischen Kirche, Nr. 28, Mai 2024. Rechtschreibung und Zeichensetzung leicht verändert. Besprechung hier.


(Text der Pfingstsequenz)



Aus Gihr (s.o.):


Das Versmaß ist trochäisch. Jeder Vers besteht aus vier Füßen, von denen der letzte unvollständig ist, da die kurze bzw. schwache Schlußsilbe jeweils weggeschnitten wurde. Sechs solcher Verse mit männlichen Reimen (a-a-b-c-c-b) gehören regelmäßig zusammen und bilden eine Strophe.


Einen vollendeten Klang gewinnen die kurzen Verse dadurch, daß das letzte Wort durchweg mindestens drei Silben hat, deren vorletzte immer kurz bzw. schwach ist. Die meisterhaften Strophen sind ihrem Inhalt nach in schöner Ordnung symmetrisch aneinandergereiht und bilden so ein harmonisch abgerundetes Ganzes.


Die Gliederung ist höchst einfach: Wie die erste Strophe ("Veni", viermal wiederholt) der fünften, d.h. letzten Strophe ("Da", viermal wiederholt), so entspricht die zweite Strophe (sechs Bezeichnungen des Heiligen Geistes) der vierten Strophe (sechs ausdrückliche Bitten an den Heiligen Geist), während die dritte, d.h. mittlere Strophe als Bindeglied den Inhalt der vorangehenden und der nachfolgenden Verse nicht nur kurz wiederholt, sondern auch noch begründet. (...)


(Die erste Strophe erinnert zudem an die Adventsliturgie, in der) in den sieben großen O-Antiphonen deren ergreifender Ruf "Veni" nicht verstummt, bis der "von allen Völkern Ersehnte" aus der gebenedeiten Jungfrau geboren ist.



Aus Foley (s.o.):


Die vierte, siebte und achte Strophe (...) sind eine Studie in Gegensätzen. (...) In der Strophe "In labore requies" beschreibt der Dichter den Heiligen Geist als den Gegensatz zu unterschiedlichen negativen Erfahrungen. (...) Die anderen beiden Strophen bestehen aus sechs inständigen Bitten an den Tröster in der Form von Gegensätzen. (...)


(In der) sechste(n) Strophe "Sine tuo numine" (hat) fatalerweise jemand im Lauf der Geschichte die Formulierung verändert (... vgl. hier). Der ursprüngliche Vers hatte statt "homine" (Mensch) "lumine" (Licht). Er lautet also: "Ohne dein Wirken ist nichts im Licht (...), ist nichts unschuldig." (...)


Die vorletzte Strophe "Da tuis fidelibus" enthält (den) spannenden Begriff "Septenarius" (...), ein Adjektiv für "siebenfach", und "sacrum" wird hier als Nomen verwendet. "Gib uns eine siebenfältige heilige Sache." (...) 

Vielleicht hatte unser Autor ein Wortspiel im Sinn. "Septenarius" kann sich im Lateinischen auch auf eine Gedichtzeile beziehen, die aus sieben Silben besteht, und tatsächlich ist das auch die Definition des englischen Wortes "septenarius, n.". (... So) könnte "sacrum septenarium" ebenso gut als ein "heiliges Septenarium" übersetzt werden. Und ein heiliges Septenarium wäre ein heiliges Gedicht, das aus siebensilbigen Versen besteht - ein Gedicht wie "Veni Sancte Spiritus". 

Indem der Dichter nun jedoch den Heiligen Geist um ein Gedicht bittet, das er bereits verfaßt hat, könnte er auf die paradoxe Natur des Gebets anspielen: Manchmal enthält unsere Bitte an Gott selbst die Antwort.



Außerdem...


Die Pfingstsequenz hat 210 (3x7x10) Silben. Die Drei steht für die göttliche Dreifaltigkeit, die Sieben für die Schöpfung und die Zehn für die göttlichen Gebote. Deren Gabe und die Schöpfung feiert das Volk Israel an seinem Pfingstfest, dessen Erbe das christliche bewahrt.


Sie hat aber 252 (3x7x12) Töne.


1. Strophe (8-9-9-8-9-9): 52

2. Strophe (8-9-10-8-9-10): 54

3. Strophe (9-7-10-9-7-10): 52

4. Strophe (9-9-7-9-9-7): 50

5. Strophe (7-8-7-7-8-7): 44


3x7x10 Silben, 3x7x12 Töne: Die für das Gesetz stehende Zehn wird durch die für das Gottesvolk und die Vollendung (himmlisches Jerusalem) stehende Zwölf in der Musik "überhöht".

 


Siehe auch 

- P. Kwasniewski, Die alte Pfingstvigil (vor 1955), im o. g. Magazin S. 36ff, hier zum Originalartikel

- P. Kwasniewski, Besonderheiten der Pfingstoktav, im o. g. Magazin S. 43ff, hier zum Originalartikel)

Sonntag, 7. April 2024

Kar- und Osterwoche: Liturgische Feinheiten und Entdeckungen ("Tauf"- und "Karfreitagsoktav")

Die Liturgie der Kar- und Osterwoche in der überlieferten römischen Ordnung von 1570 mit allen (archaischen) Détails und der Entdeckung einer möglichen Karfreitags- oder Sabbatoktav findet sich hier.

Sonntag, 8. Oktober 2023

"Hoch von dem Thron ein Jäger" - Marienlied zur Einhornjagd

Im Führer "Der Dom zu Lübeck" von Wolfgang Grusnick habe ich unter der Beschreibung des Marienaltars (Bild) ein Marienlied von Johann Spangenberg von 1544 gefunden.


Übertragung ins (einigermaßen) Neuhochdeutsche:


Hoch von dem Thron ein Jäger,

der jaget ein Einhorn fein.

Ein auserwählte Jungfraue

steckt aus ihr Ärmlein balde.

Mit Lust sprang es darein.


Gott sandt von Himmels Throne

den Engel Gabriel

all zu Maria der Schönen,

soll gebären Gottes Sohne

mit Namen Emmanuel.


Die Hündlein, so es jagten,

triebens frisch und wohl getrost,

die Wahrheit und Gerechtigkeit,

Fried und auch Barmherzigkeit,

der Jungfrauen in den Schoß.


Die Jungfrau, die war edel,

von königlicher Art.

Von David und dem Salomon

gebar sie Jesum, Gottes Sohn

ganz rein, keusch und zart.


Der Busch blieb unversehret

und brannte durch Feuers Flamm’:

So hat Maria, die Schöne,

empfangen Gottes Sohne

ohn Sünd und Mannes Sam’.


Sie ist die güldene Pforte,

verschlossen in Ewigkeit,

dazu der beschlossen’ Garten,

hat g’glaubt des Engels Worte,

bracht Heil und Seligkeit.


Sie ist das Vlies im Taue

des Fürsten Gideon,

der schöne, versiegelte Brunne,

gebar mit Freud und Wonne

den einigen Gottessohn.


Sie ist die Rute Jesse,

welche ganz verdorret war.

Mit seliger Blüte und Fruchte

in jungfräulicher Zuchte

den Heiland uns gebar.


Sie ist wie Zimmet und Balsam,

gar teu’r und freudenreich.

Die schöne Rose von Jericho

und die Ledder (= Zeder?) im Libano,

erhöhet ganz wonniglich.


Sie ist die Wohlgebaute,

Davids, des Königs, Turm,

beziert und wohl und milde,

mit tausend schönen Schilden,

vergleicht des Himmels Thron.


Sie war im gülden Eimer,

behalten(d) das Himmelsbrot.

das hat vertilget alleine

in Maria, der Reinen,

Höll, Sünd und ewigen Tod.


Lob, Ehr und Dank dem Vater

in göttlicher Majestät,

dem Sohn und Heiligem Geiste,

der uns sein Gnade leiste

nun und in Ewigkeit.

Freitag, 5. Mai 2023

Präfation zur Krönung eines Königs

In der Liturgie zur Krönung von König Karl II. von England, die als "Eucharist" gefeiert wurde, gab es diese Präfation (Quelle):


It is very meet, right, and our bounden duty, that we should at all times and in all places give thanks unto thee, O Lord, holy Father, almighty, everlasting God, through Jesus Christ thine only Son our Lord;


who hast at this time consecrated thy servant N. to be our King, that, by the anointing of thy grace, he may be the Defender of thy Faith and the Protector of thy people; that, with him, we may learn the ways of service, compassion, and love, and that the good work which thou hast begun in him this day may be brought to completion in the day of Jesus Christ.


Therefore with angels and archangels, and with all the company of heaven, we laud and magnify thy glorious name, evermore praising thee and saying: (Sanctus)

Mittwoch, 12. April 2023

Drittes österliches Triduum

Neben den beiden "traditionellen" Triduen zum Osterfest, dem Triduum Sacrum / Passionis (von Gründonnerstag bis zur Ostervigil) und dem Triduum Paschale (von Ostersonntag bis -dienstag), dessen Tage im alten Missale den Rang "Duplex I classis" (Hochfest) haben - die folgenden Tage der Osteroktav sind nur "Semiduplex" (Gedenktag) -, gibt es noch ein drittes, verborgenes:


Die traditionellen (sicher sehr alten) Orationen zur Gabenbereitung und zur Kommunion sind von der Ostervigil bis zum Ostermontag dieselben.



Super oblata

Gabengebet

Súscipe, quǽsumus, Dómine, preces pópuli tui cum oblatiónibus hostiárum, ut, paschálibus initiáta mystériis, ad æternitátis nobis medélam, te operánte, profíciant.

Nimm an, wir bitten, Herr, die Gebete deines Volkes mit den Darbringungen der Opfergaben, damit sie, die durch die österlichen Geheimnisse eingeführt worden sind, indem du es wirkst, uns zur Heilung der Ewigkeit dienen.



Post communionem

Schlußgebet

Spíritum nobis, Dómine, tuæ caritátis infúnde, ut, quos sacraméntis paschálibus satiásti, tua fácias pietáte concórdes.

Den Geist deiner Liebe, Herr, gieße ein (aus), damit die, die du durch die österlichen Sakramente gesättigt hast, durch deine Milde einmütig machst.


Donnerstag, 23. März 2023

Prophetische Offertoria

Vier Gesänge zur Gabenbereitung im Graduale Romanum weichen von den anderen ab: die "prophetischen Offertoria".

Samstag, 4. Februar 2023

Sexagesima: Praefatio

Die Präfation zum Sonntag Sexagesima "Qui rationabilem creaturam" zum Singen eingerichtet findet sich hier.


Text aus dem Sacramentarium Gelasianum Vetus, Nr. 159.


Zur "Vorfastenzeit" ist im alten "Schott" zu lesen:

Der kurze Abschnitt des Kirchenjahres von Septuagesima bis zum Beginn der großen Fastenzeit ist sozusagen eine stimmungsvolle, schöngegliederte Vorhalle, die in Rom dem Heiligtum der Quadragesima vor dem Tod Gregors des Großen († 604) vorgebaut worden ist. 

Es war damals eine Zeit, in der fremde, eingewanderte Horden über Rom und seine Umgebung viel Tränen und Ruinen brachten. Vielleicht zittert in manchen Texten dieser drei Sonntage die schmerzliche Erinnerung daran noch nach.